Reportage in der Zeitschrift "MATRIX"
Ausgabe: Jan/Feb 2007







I SEE YOU - ICH SEHE DICH

Arno Löbbe und seine Malerei zwischen Vision
und Hyperrealismus



von Wolf Larsen

Suggestiv blickt dem Betrachter des Bildes "I see you - ich sehe dich" (siehe Abb.) ein Augenpaar entgegen und macht den Betrachter selber zum Betrachteten.


Der Maler Arno Löbbe ist ein Augenmensch. Denn ohne das Auge gäbe es keine Bilder.
Wie ein komfortables Panoramafenster ermöglicht es uns, die Welt um uns her zu betrachten und das Erscheinungsbild unserer Umgebung sinnlich zu erfassen.

Aus dem Experiment, die Eindrücke des bewußten, analytischen Sehens in Malerei umzusetzen, entstehen Löbbes hyperrealistische Gemälde.

Verblüffend - wie dreidimensionale Holographien - wirken diese Bilder auf den Betrachter als perfekte Imitationen der Wirklichkeit, durch kompromißlose Präzision, mit Ölfarbe auf Leinwand gemalt. Die Suche nach neuen Inhalten und lohnenden Motiven seiner Gemälde treibt Löbbe auf ausgedehnte, oft Monate dauernde Reisen und Expeditionen, vorzugsweise durch Asien und den nahen Osten. "Der Fotoapparat wird zum Skizzenblock meiner Malerei".

Neben Löbbes fotorealistischen Arbeiten, resultierend aus dem physischen, elementaren Erleben seiner Umwelt, folgt er in anderen Werken seinem inneren Auge und schafft Raum für imaginäre Visionen und phantastische Traumbilder. Hier nimmt Löbbe sich die Freiheit, eine parallele Welt zu erschaffen.
In diesen Phantasmen finden sich häufig Einflüsse aus fremden Kulturen, Religionen und den Menschen, denen Löbbe auf Reisen begegnet. "Die archaische Stärke und enorme poetische Ausdruckskraft und Vielfalt der Kunst, die mir, insbesondere in Asien oder Nordafrika, begegnete, hinterläßt ihre polyglotten Spuren auch in meinen Bildschöpfungen"

Sehr früh begann Arno Löbbe zu malen und zu zeichnen. Dieser Neigung konsequent folgend, studierte er in den achtziger Jahren Malerei und Grafik an der 'Akademie der bildenden Künste' in Wien. "Damals genoß die Akademie einen ausgezeichneten Ruf, weil es der Ort war, an dem wir Studenten die Maltechniken der alten Meister systematisch erlernen konnten. Ich habe dort alle Grundlagen der Malerei gelernt. ""Die Maler des 'Phantastischen Realismus' wie Rudolf Hausner, Arik Brauer, Anton Lehmden und nicht zuletzt auch Friedensreich Hundertwasser waren ihm dort kompetente Lehrer. Noch heute verbindet Löbbe aus dieser Zeit in Wien eine kreative Freundschaft mit Ernst Fuchs.

Anfang der neunziger Jahre verbrachte Löbbe eine kurze Lehrzeit als Bildhauer in den Marmorsteinbrüchen von Carrara in Italien. "Bildhauerei liegt mir ebenso wie die Malerei, aber ich habe mich in Carrara für das Malen entschieden." Wenig später zog er für einige Jahre nach Paris und organisierte dort seine ersten erfolgreichen Ausstellungen. Später kamen auch Illustration und Buchcovergestaltungen für Verlage wie den Thienemann- und Weitbrechtverlag in Stuttgart hinzu.
Als Dozent für Malerei lehrte Löbbe an verschiedenen Bildungseinrichtungen. Titel seiner Seminare: 'Alte Techniken neu entdeckt - Einführung in die Ölmalerei der alten Meister'.

Im Jahr 2000 gab Löbbe sämtliche Arbeit in Verlagen und Instituten auf, um sich ausschließlich seiner eigenen Kunst zu widmen. "Die Zeit war reif für Veränderungen. Ich mußte mich endgültig von allen Kompromissen und Unwahrheiten befreien, um das zu tun, was mir am Herzen liegt, und das ist nun mal das Malen und verreisen." Indien ist Löbbes bevorzugtes Reiseziel. "In Indien hat eine selbstverständliche, archaische Beziehung zu Jahrtausende alten Mythen und einer bunten Götterwelt überlebt, die in Europa schon vor langer Zeit verloren gegangen ist. Mich hat das alles regelrecht verzaubert und meine Kunst beflügelt

Es lassen sich in Löbbes Werken aber auch Einflüsse aus anderen, der Malerei verwandten Kunstgattungen erkennen, wie Film, Theater, Tanz, Mode und Architektur. In meiner 'Sucht nach Bildern' verfolge ich alle Entwicklungen zeitgenössischer visueller Künste. Sogar bestimmte Werbe-Clips oder auch Kinofilme wie 'Star wars' haben mich ebenso inspiriert wie der eine oder andere Comic-Held. Ich habe da keinerlei Berührungsängste. Sehr interessant sind hier auch einige experimentelle Videos des Musiksenders MTV, wo manchmal unsere Sehgewohnheiten auf überraschende Weise gebrochen werden."

Seit nunmehr 20 Jahren organisiert Arno Löbbe Ausstellungen seiner Gemälde in Museen und Galerien. Zuerst waren es meist Gruppenausstellungen mit befreundeten Künstlerkollegen, wie 1990 in der 'Österreichischen Nationalgalerie Schloß Belvedere' in Wien. Im Laufe der Zeit entwickelten sich Löbbes Aktivitäten zu größeren Einzelausstellungen, wie die Löbbe-Ausstellung 1994 in der 'Galerie Liliane Francois' in Paris oder ein Jahr später in der 'Galerie am Buttermarkt' in Köln. Durch Löbbes Neuorientierung und Bündelung seiner Kräfte um das Jahr 2000, transformierten seine Ausstellungen zu großen 'One-Man- Shows' mit 30 oder 40 Ölbildern von zum Teil monumentalen Formaten und ebenso vielen Grafiken. Hierzu gehört die große Löbbe-Ausstellung 'Phantasmen' in der 'Galerie Rosenzweig' in Bonn 2003 und die Löbbe-Retrospektive in der 'Galerie Schönhof' in Oldenburg 2006.

In all diesen Jahren bildete sich eine bis heute stetig wachsende Gemeinde von Fans und Sammlern von Löbbes Werken heran. "Es ist wunderbar, meine eigenen Bilder in privaten und öffentlichen Sammlungen zu sehen. Dort begegne ich ihnen in einer neuen Umgebung und in einem oft völlig anderen Kontext als in meinem Studio. Für mich ist das extrem spannend."

Löbbes Arbeiten sind zu begehrten Sammlerobjekten geworden. "die Preise meiner Bilder haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht. Eine Entwicklung, die sie zu einer guten Wertanlage macht."

Der Kreis hat sich geschlossen. Arno Löbbe lebt gut von seiner Malerei und finanziert die für seine schöpferische Arbeit unerläßlichen Reisen ebenfalls durch diese Tätigkeit. "Es ist eine sehr fruchtbare Symbiose aus Reisen und malen. Ich arbeite sehr hart dafür, daß es funktioniert. Oft male ich von früh morgens bis spät in die Nacht an den Bildern oder realisiere eine nächste Ausstellung. Auch die Reiserei ist oft furchtbar anstrengend und heikel, was wohl jeder versteht, der schon mal in Asien oder Israel mit öffentlichen Bussen der indischen Bahn und Rickshaws aller Art unterwegs war oder auf Trekking-Touren im Himalaja, mit Maultieren und Yaks, um einen abgelegenen Tempel oder ein tibetisches Kloster zu erreichen. Es ist ein großes Abenteuer voller Schwierigkeiten und Wunder. Ich möchte um keinen Preis der Welt etwas anderes machen, denn es gibt nichts Lohnenderes, als seinen eigenen Traum zu verwirklichen."