WESTFÄLISCHE ALLGEMEINE ZEITUNG, WAZ
Ausgabe: Nr. 174 / Samstag, 29. Juli 1995



Phantastiche Malerei mit gnadenloser Präzision

Entführung in die Welt des Malers Arno Löbbe


von Barbara Höpping

Ein Magier mit Zauberstab in einer Phantasielandschaft: Ein Bild wie aus 1000 und einer Nacht. Die Struktur auf Leinwand entsteht durch zerbrochenen Eierschalen. In altmeisterlicher Technik malt der 28jährige Arno Löbbe Motive, die er sich aus dem Fundus seiner eigenen Träume schenkt. Da er von der Malerei lebt, muß er sie verkaufen. Einen Blick in sein Werk gewährt er uns für die Atelierserie auf Seite 3.

Die Bilder sind klein und groß, ihre Dimensionen immer weit. Geheimnisvolle Landschaften, rätselhafte Figuren, Farben wie Explosionen, Perspektiven entrückt ins Unendliche. Die Gegenwart und Vergangenheit verschmelzen zur Science fiction-Szenerie. Arno Löbbes Malerei kennt keine Grenzen, außer der technischen Präzision. Darin ist er gnadenlos wie seine Lehrer Ernst Fuchs und Arik Brauer.

"Der König in seinem Land" regiert Afrika, Indien, Japan und Rußland zugleich. Die Sichel und die Somme Nippons vereinen sich. Mit dem "schwebenden Mönch", der sich durch die Architektur hebt, macht sich Arno Löbbe ein bischen lustig über die katholische Kirche. "die Grazie im Gras" sitzt in Form einer Pyramide und ist vor lauter Schönheit ganz erstarrt. Gotische Kathedralen haben türkische Zwiebeltürme. Beim optischen Spaziergang durch Etagen, Täler, Berge und Gewänder verliert sich der Betrachter...
Nicht aber Galeristen. Installationen und abstrakte Malerei sind angesagt. "Wie ein räudiger Hund" sei er sich manchmal beim Gang durch die Galerien vorgekommen. "Aber ich male weiter so", allerdings lebt es sich "unglaublich schwierig" davon. Deshalb entwirft er Buchcover für verschiedene Verlage und Illustriert Kinderbücher.

Lebenslauf Arno Löbbe
1966 geboren im Haus an der Straße, die nach seinem Großvater benannt wurde: Wilhelm Löbbe, Oberingenieur und Chefkonstrukteur der Eisenhütte Westfalia, Erfinder des Kohlehobels von 1950.
Als 18 jähriger nach Begabtenprüfung an der Fachhochschule Grafik/Design in Dortmund studiert. Zivildienst in einer Schule für behinderte Kinder absolviert. An den Kunstakademien in Düsseldorf und München abgelehnt. Brief an Ernst Fuchs geschrieben. Studium bei Arik Brauer mit Unterricht bei Ernst Fuchs. 1991 mit Diplom und dem akademischen Grad des Magister Artium beendet. Zur Zeit lebt er in Paris und organisiert dort gerade eine Ausstellung. Auch in Wien, Köln und Bonn stellt er aus.

Stichwort Phantastischer Realismus
Nach Ende des zweiten Weltkrieges fanden sich einige Maler an der Wiener Kunstakademie zusammen, um sich für eine Malerei der freien Vorstellung einzusetzen, die sich auf ein soliedes Handwerk gründete: Phantasien in altmeisterlicher Technik mit Ölfarbe und Eitempera wie die mittelalterlichen Maler, akriebisch genau im Detail wie die Renaissance-Malerei, aber frei erfundene Motive, Figuren, Geschichte(n), Räume. Die "Wahrscheinlichkeit des Unwarscheinlichen" wollten und wollen ihre Vertreter durch diese Malerei darstellen, besser: realisieren. Daher der Begriff "Wiener Schule des Phantastischen Realismus". Diese schillernde Wortbildung schließt vieles ein, aber banales aus. Berühmte Vertreter dieser Richtung sind u. a. Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter und Arik Brauer. Salvador Dali war von ihnen anerkannt, weil er als einziger Surrealist auch technischen Ansprüchen standhielt.