WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU
Ausgabe: Nr. 138 / Samstag, 8. August 2009







Die Malerei ist sein Spielplatz

Arno Löbbe stellt einen Teil seiner Werke in der Stadtgalerie aus - Eröffnung ist am 6. September

von Barbara Höpping

Lünen. Lecker? Gletscher? Eingeweide? Erbrochenes? Kulinarisch? Foto? Louis Corinth? Brutal? Schockierend? Das 2 x 1,50m große Ölgemälde von Arno Löbbe zeigt das, was sommers wie winters in Bistros und Cafés angeboten und gern bestellt wird: Waffeln mit heißen Kirschen und Sahne. Allerdings in einer seltenen Dimension und Genauigkeit, die die Realität übertrifft, die Sehgewohnheiten sprengt und obige Fragen aufwirft. Diese heißen Kirschen lassen niemanden kalt. dieses Werk lässt den Atem stocken. Es ist das Neueste des Künstlers, der die Kunstsaison am 6. September in der Stadtgalerie mit 100 Bildern eröffnet.

Die Retrospektive Löbbes zeigt Beispiele aus seinem malerischen Entwicklungsstufen vom Phantastischen Realismus über den Surrealismus bis hin zum Fotorealismus. Nichts ist abstrakt, wohl aber vieles bizarr, manchmal grotesk, traumhaft, verrückt. Allen Werken ist eines gemeinsam: Ihre Professionalität und ihre meisterhafte Technik.

Arno Löbbe lebt und arbeitet in seinem Atelier in der Löbbe-Straße - zurzeit ist er mit nichts anderem beschäftigt, als seine Ausstellung in der Stadtgalerie vorzubereiten. Tief gebeugt über den Lageplan der Galerie schiebt der Künstler kleine Kärtchen mit den Titeln seiner Gemälde von einer Ecke in die andere, von einer Rundung zur nächsten. Die "Rose" hängt, nur vom "Bambuswald" getrennt, in Augenhöhe mit "Cherry and Cream" - diesen heißen Kirschen.
Gemalt hat der Maler vorerst genug; es gilt, eine Ausstellung vorzubereiten, die Begeisterung auslösen soll. "Schreiben sie: Das wird ein Knaller!" empfiehlt er der staunenden Besucherin, die sich dieser vorausschauenden Bewertung angesichts der Bilder nur unwillig entziehen kann.

Der nahezu zerbrechlich wirkende 43-Jährige will in seiner unauffälligen Arbeitskleidung so gar nicht zu seiner Malerei passen, die in ihrer Pracht und Sinnlichkeit über ihre Rahmen bordet. Bei ihm persönlich ist Minimalismus angesagt: "Schmuck brauche ich nicht, auch keine Verkleidung, das lebe ich in meiner Malerei aus!" Sie ist für ihn ein "Spielplatz" und "Platz zum Austoben", auch Raum für Provokation. Denn die "heißen Kirschen" oder das Plakat-ähnliche Ölgemälde "HELP is on the way", durch das eine Schnecke schleicht, darf als Herausforderung interpretiert werden. Da mag Löbbe noch so sanft und unschuldig dreinblicken. Bei der "Heiligen Kuh" gibt er Kritik zu. Die Abbildung des indischen Rindes, das umringt von Frauen auf einem Haufen Euros steht, symbolisiert das goldene Kalb: Macht, Sex und Geld regieren die Welt.

Die Frage nach Preisen und Verdienst geht dem Künstler "auf die Nerven". Mal "habe ich viel Geld, mal gar keins". Aber das sei nicht wichtig. Kunst ist sein Leben. Das Experimentieren mit Druckgrafiken, Lithografien und Aquarellen reizt ihn und führt auch dazu, dass seine Arbeiten etwas erschwinglicher sind. Die Ölgemälde müssen sich in angemessenen fünfstelligen Bereich bewegen. Er braucht keine goldenen Wasserhähne, "obwohl ich nichts dagegen hätte, welche zu haben", räumt er verschmitzt ein.
Gemalt hat er zum Beispiel im Auftrage einer Autofirma den James-Bond-Schlitten, einen Aston Martin, vor der Kulisse des Himalaja. Das Bild sollte zur Präsentation des Wagens der Dekoration dienen. Die Finanzkriese ließ die Vorführung platzen; nun hängt es an der Wand, echt wie echt.

Löbbe hat die Gabe, warten zu können. Auf die Ausstellung in der Stadtgalerie, auf die er sich "riesig" freue, mußte er auch lange warten. Umso mehr legt er sich ins Zeug und will den Besuchern etwas bieten. So wie er es schon als junger Maler wollte. Das ist in seinem Phantastischen Manifest von 1993 nachzulesen.

Als 19-Jähriger ging er nach Wien um bei Ernst Fuchs, Arik Brauer und Rudolf Hausner, der österreichischen Künstler-Elite, in die Geheimnisse der Phantastischen Malerei eingeweiht zu werden. Diese Malweise ist ein Kapital, obwohl er sich längst von den märchenhaften Motiven getrennt hat. Heute sind Gerhard Richter, Neo Rauch, Gottfried Helnwein und Jeff Koons in sein Blickfeld getreten.

Dem Vorwurf des Kitsches angesichts seiner gelegentlich allzu schönen Frauengestalten begegnet Löbbe mit Gleichmut: "Ich habe mit Kitsch keine Probleme!" Klar, wer Bilder malen kann, wie die "heißen Kirschen", darf Selbstbewusstsein haben. Das gleiche gilt für seine "Pieta", das unscharfe Gemälde einer eilenden Frau. Hier scheint eine neue Phase des Künstlers zu beginnen: Weg von der gnadenlosen Präzision, hin zum flüchtigen Augenblick.

Gemalt wird nach wie vor in meisterlicher Technik, minutiös und stundenlang. "Eine Ausstellung wird sein, als öffne man das Pharaonengrab eines neuen Tutanchamun", so endet sein frühes Manifest. Da dürfen die Gäste am 6. September, 11 Uhr, auf die Stadtgalerie gespannt sein und können überprüfen ob er Wort gehalten hat.